BITTERER ABSCHIED: EIN LETZTER GRUSS AN FLAV!
Schockierend, traurig, tragisch: Da hat man mit Jemanden über Monate und Jahre an einer Veröffentlichung gebastelt, sich in fast täglicher Routine Emails und Nachrichten geschrieben, das Weltgeschehen und andere Nebensächlichkeiten kommentiert, an Cover-Gestaltungen gewerkelt etc. und plötzlich ist Schluß. Einfach so. Ohne jede Vorwarnung. Rien ne plus. Aus heiterem Himmel. Keine Nachricht mehr, kein Kommentar mehr. Flav, der Sänger und Mastermind von PARIS VIOLENCE ist vor einigen Tagen verstorben. Viel zu jung, viel zu früh. Komplett unerwartet.
Ein gemeinsames Projekt, die Split 7“ mit BRAINDANCE konnten wir noch zu Lebzeiten veröffentlichen, eine geplante LP-Veröffentlichung wird jetzt mit ihm begraben. Schade.
PARIS VIOLENCE, 1994 gegründet, waren immer Geschmackssache, ihr düsterer Dark Wave Oi! ist definitiv nicht Everybody’s Darling, sondern eher das schwarze Schaf in der Gang. Der kuriose Fremde im Städtchen, der verschrobene Cousin an der Kaffeetafel.
Sollte man in jedem Fall aber antesten, aus Skepsis wurde nur allzu oft schiere Begeisterung.
PARIS VIOLENCE sind eine klare „Entweder-oder“ Angelegenheit, ein lauwarmes „geht so“ ist eher die Ausnahme, strikte Ablehnung oder fanatischer Zuspruch dagegen die Regel. Von der subkulturellen Einordnung und der Attitude waren Flav und PARIS VIOLENCE immer 100% Skinhead, in der musikalischen und textlichen Ausführung schlug er dagegen ganz eigene Pfade ein. Lebte konsequent in seiner eigenen Nostalgie-Welt, beackerte textlich hauptsächlich historische Ereignisse. Der Indochina-Konflikt, der ungarische Volksaufstand von 1956, Kriege und Konflikte im Allgemeinen. Dazu passt auch sein bürgerlicher Name Flavien-Alexandre Bertran de Balanda de Falguière, Flav war nebenher auch leidenschaftlicher Historiker. Sein zweites Steckenpferd neben der Musik.
Seine Songs selbst bezaubern (oder verschrecken, je nachdem) mit einer stark atmosphärisch-mystischen Note, genüßlich kombiniert mit einer schroffen Chaos en France-Basis. Letztendlich schwer zu beschreiben, Flav erfand seinen Stil zudem immer wieder neu, ohne dabei allerdings wirklich von seiner Hauptstraße abzuweichen. Ein roter Faden ist dabei immer wieder zu entdecken, zieht sich durch das umfangreiche Gesamtwerk (welches immerhin grob geschätzt knapp 100 Veröffentlichungen umfasst).
Deshalb entscheidet selbst, hier ein Hörbeispiel mit bedauerlich passendem Titel:
Oder dieser hier:
Bemerkenswert war auch das Cover-Artwork, stets unter der peniblen Ägide von Flav höchstpersönlich entstanden. Künstlerisch gekonnt gefertigt, optisch eindrucksvoll dargeboten. Auch hier regierten Art Noveau, Belle Époque, Comic Classics wie „Spirou und Fantasio“ und „Blake und Mortimer“ als Inspiration.
Gern auch Motive in kunterbunter Vielfarbigkeit. Prädikat: Ungewöhnlich, irritierend, faszinierend. Die „klassische“ Skinhead-Optik sucht man auf PARIS VIOLENCE-Tonträgern vergebens. Hier einige besonders gelungene Beispiele:
Zum Abschied trinken wir ein ganz großes Bier auf Dich und legen eine PARIS VIOLENCE-Scheibe auf.
Dein Werk wird Dich um einiges überdauern. Danke, mon ami.