ROCK-O-RAMA RECORDS: DAS INTERVIEW ZUM BUCH!
Björn Fischer, Hannoveraner Musikante bei u.a. AUDIOCOLLAPS, RECHARGE, COMBAT 77, hat sich in mühevoller Kleinarbeit mit den frühen Bands und Veröffentlichungen von ROCK-O-RAMA Records befasst.
Das akribische Ergebnis liegt seit einigen Wochen in gebundener Form vor und kann sich sowohl sehen als auch lesen lassen. Selbstverständlich bleiben einige Rätsel ungelöst, Herbert himself hatte es ja bekanntlich nicht so wirklich mit Public Relation und Öffentlichkeit im Allgemeinen, aber das Buch beantwortet viele bis dato ungelöste Fragen.
Wie zB.: Waren Herbies Sideburns wirklich so gigantisch, wer steckt hinter OUR NEIGHBOURS SUCK, warum sind die INSANE LP und der STOLLWERK-Sampler nur gelistet und nicht erschienen usw.
Die BODY CHECKS LP wurde aus unerfindlichen Gründen in der ansonsten vollständigen Diskographie der Frühjahre einfach übersprungen, zwischen RRR 42 (PROPAGANDA-Sampler) und RRR 44 (RIISTEYT) klafft eine Lücke. RRR 43 „Tätowiert und kahlgeschoren“. Dafür sind im Anhang SÄMTLICHE Egold-Produktionen (inklusive Unterlabels) aufgeführt und erstaunlicherweise sogar die ROR Reloaded-Produkte.
Apropos Fragen: Die beantwortet auch der Autor selbst und zwar Oi! the Schubi, dem rasenden New Breed-Reporter. Danke, Schubi! Die analoge Version folgt dann im nächsten NOISTER FETZN.
Here we go:
1.) Hast Du damit gerechnet, das dieses Buch einschlägt wie eine Bombe? Das gute Stück war ja ruckzuck ausverkauft und im Vorfeld gab es im Netz schon mächtig Spannung um Dein erstes Werk.
Absolut nicht. Mir war zwar klar, dass das Thema an sich für viele Leute nach wie vor sehr spannend ist, weil das Rock-O-Rama Label ja immer schon etwas sehr Mysteriöses und Obskures an sich hatte und anscheinend auch noch jüngere Generationen brennend interessiert und fasziniert. Dass die Erst- und Zweitauflage bereits vor Veröffentlichung ausverkauft war, hat aber selbst den Verlag umgehauen. Besonders freut mich auch, dass das Werk sehr positiv aufgenommen wird, und dass so viele Leute von damals bereit waren, sich mit ihren Erzählungen rund um die Labelgeschichte am Inhalt zu beteiligen. Im Buch selbst wird vor allem zahlreichen bisher unbeantworteten Fragen nachgegangen: Hatte Herbert Egoldt den „Nazi-Masterplan“ oder war er einfach nur ein gerissener Geschäftsmann? Wie standen die Label-Bands dazu, wie haben andere Labels darauf reagiert? Und wer steckt heutzutage hinter der Firma? Eben Sachen, die bisher nur gemutmaßt, nie aber in dieser Intensität beleuchtet werden konnten.
2.) Warst Du auch an der LP Veröffentlichung beteiligt? Wenn ja wie gestaltet sich die Arbeit an so einem Sampler wenn es ROR noch gibt?
Mir sind die Aufnahmen im Zuge meiner sehr umfangreichen Recherche und teilweise über größere Umwege in die Hände gefallen; und da es sich um bisher auf Vinyl komplett unveröffentlichtes Material und vor allem um keine für den damaligen ROR-Sampler „Die Deutschen Kommen“ produzierte Studioaufnahmen handelt, kann es auch keine Beschwerden seitens der jetzigen Rechteinhaber geben (die ja mit Klagen gegen ROR-„Plagiate“ nicht gerade zimperlich umgehen…). Mit den beteiligten Bands ist „unser“ Sampler selbstverständlich abgesprochen. Von der Deutschpunk-Kultband Fasaga war sogar eine bisher unveröffentlichte Tonband-Aufnahme aufzutreiben, die sehr sorgfältig und liebevoll bis ins Detail für´s Mastering aufbereitet wurde. Und schon das wird sicherlich eine Menge Leute interessieren, die bisher jahrelang gerätselt haben, ob noch weitere Songs von Fasaga existieren könnten.
3.) Mit Hirnkost hast du einen Verlag der gut zum Thema passt und mit dem Archiv der Jugendkulturen auch wunderbare Arbeit leistet. Aber auch ein K. Farin bekam damals viel negatives Feedback aus der Szene zu hören bei seinen Büchern über Skinheads. Gab es zum ROR Buch auch schon so heftige Reaktionen im Vorfeld aus der vielleicht linkeren Punkszene oder auch aus rechten Kreisen?
Außer einer in einem so-genannten „linkeren“ Forum geforderten „Bücherverbrennung“ – und das noch zu einem Zeitpunkt, als das Buch noch gar nicht erschienen war… – gab es bislang nur positive Rückmeldungen. Das liegt vielleicht daran, weil ich selbst aus einer journalistisch objektiven Position heraus geschrieben und nicht versucht habe, Geschehnisse oder Meinungen zu kommentieren oder zu bewerten. Das soll den Leserinnen und Lesern selbst überlassen bleiben.
4.) Wie sieht Deine ROR Sammlung aus? Hattest oder hast Du ROR Platten die du für kein Geld der Welt eintauschen würdest?
Die Punksachen habe ich glücklicherweise vollständig und würde sie auch für kein Geld der Welt hergeben. Vieles habe ich im Laufe der letzten Jahrzehnte nachkaufen müssen, da ich die Aufnahmen selbst lediglich auf größtenteils ausgeleierten BASF-Cassetten verfügbar hatte. So war das halt damals: Kohle lieber am Bahnhof versoffen als Platten kaufen. Doch bei den Nachkäufen wurden die LPs glücklicherweise noch nicht so teuer gehandelt wie heutzutage – wobei davon auszugehen ist, dass mein Buch die Preise erneut in die Höhe treiben wird… . Einer meiner größten „Schätze“ ist die 1983 erschienene „Kein-Schöner-Land“-EP von Stosstrupp, ohne zensiertes Rückcover, und vor allem auch wertvoll für mich selbst, da ich die Band noch immer sehr abfeiere. Empfehlen kann ich aber auch die frühen Rock´n´Roll-Zusammestellungen Egoldts auf seinem Ende der 70er Jahre gegründeten Big-H-Label ( www.discogs.com/de/label/958706-BIG-H ): Ursprünglich auf Kleinstlabels produziertes kurzweiliges und weitgehend unbekanntes Songmaterial von US Künstlern der 50er und 60er Jahre, das die Wurzeln der Ramones stark erkennen lässt.
5.) Haben sich auch Protagonisten aus der rechten Szene bei Dir gemeldet oder hast Du sogar den Kontakt gesucht? Wie war die Zusammenarbeit in diesem Fall?
Einige dieser Personen hatten sich auf einen Aufruf im Ox-Magazin gemeldet – was mich selbst etwas verwundert hat. Andere, zu denen ich persönlich oder über Umwege Kontakt aufgenommen hatte, waren zwar damals in der rechten Szene involviert, sind aber heutzutage dort nicht mehr aktiv oder präsent. Wichtig für meine Recherche waren die damaligen persönlichen Bezugspunkte zu Herbert Egoldt und seinem Label, um ein Gesamtbild des Schaffens und dessen Auswirkungen aufzeigen zu können. Die Zusammenarbeit fand durchgehend auf sachlicher Ebene statt.
Zum Abschluss würde ich gerne deine 3 Lieblingsplatten von ROR erfahren und die 3 schönsten und skurillsten Anekdoten zu ROR.
1. Stosstrupp – Wie Lang Noch – LP
2. Die Alliierten – Ruhm und Ehre – LP
3. Terveet Kädet – Halloween – LP
Drei skurille Anekdoten sind sicherlich:
1. Egoldts Idee eines gesanglichen Joint Ventures während der Aufnahmen der Alliierten-LP „Ruhm und Ehre“ 1982.
2. der nächtliche Besuch der englischen Band The Insane Mitte der 80er Jahre bei Egoldts Wohnhaus in Brühl, nachdem diese auf einer Deutschlandtour erfahren haben, dass eine Live-LP auf Rock-O-Rama erscheinen soll.
3. Egoldts Trip nach Sachsen Mitte der 90er Jahre mithilfe seines Mercedes 600 SL und mit reichlich Scheinen im Gepäck, um dort das Masterband für die zweite Bomber-LP abzuholen.
Soviel von Björn und Schubi. Zur musikalischen Untermalung lassen wir gleich mal DIE ALLIIERTEN zu Wort kommen:
Lieber spät als nie: Das Buch ist nun endlich auch bei uns im Shop eingetrudelt, als Verspätungs-Trostpflaster gibt es die „Als die Deutschen kamen“ CD mit unveröffentlichten Versionen einiger ROR-Bands gratis dazu.