STEELTALK # 2: HARDCORE-HELGE AUF DEM HEISSEN STUHL PT. 2!

Vor einigen Monden hatten wir an dieser Stelle die Neuauflage vom NETWORK OF FRIENDS-Buch vorgestellt. Was, weshalb, wieso: Alles zum Buch könnt ihr hier nachlesen: https://blog.steeltownrecords.de/network-of-friends-zweite-runde-zweites-glueck/

Heute nun der erste Teil eines Interviews mit NOF-Macher Helge. Natürlich sitzt Helge nicht auf dem heißen Stuhl. Niemand sitzt bei uns auf dem heißen Stuhl. In dieser Interview-Reihe werden ausschließlich Leute befragt, deren Person oder Aktivitäten uns gewaltigen Respekt abnötigen und die wir noch dazu gut leiden können. Freunde der Familie sozusagen oder schlimmstenfalls best Buddies. Helge Schreiber ist so ein Mensch. Seit prähistorischen Tagen in der Punk-und Hardcore-Szenarie unterwegs und dabei konstant aktiv gewesen. Ob nun als Photograph, Fanzine-Schreiber (…), Musikant, Organisator, Buchautor und vor allem: Netzwerker. Helge kennt Hinz und Kunz, zieht seine Kommunikations-Fäden von Oberhausen durch die ganze Welt, hat über die Jahre ein Network of Friends aufgebaut und damit die Szene aktiv am Leben gehalten. Passive Konsumenten sind für den ökonomischen Unterbau wichtig, ohne aktive Akteure aber hätte die Szene bald musealen Charakter. Das sind die wichtigen Leute im Rampenlicht, die Strippenzieher.

Helge ist „wichtig“ und dennoch kein Arschloch. Sondern eine Seele von Mensch. Wer sich eine Weile in der Szene rumtreibt, stößt in der „Chef-Etage“, bei den „Machern“ ganz schnell auf Arschlöcher. Egozentrische Luftpumpen mit Nase-hoch und nischt dahinter. „Small Man, big mouth“ erkannte schon Ian McKaye. Helge ist das genaue Gegenteil. Hilfreich, freundlich, unterstützend, großartig. Jammert nicht, lästert nicht. Und hätte doch allen Grund dazu: In seiner privaten Vita hat Helge in den letzten Jahren derbe Tiefschläge einstecken müssen, fiese Haken, die Viele andere längst aus dem Ring gefegt hätten. Direkt hinein ins Jammertal. Nicht mit Commander Helge! Der zieht seinen Stiefel durch, schlägt zurück, wehrt sich und bleibt immer aufrecht.

Letzte Woche haben wir unseren Lagerfeuer-Plausch mit Helge gestartet, hier folgt nun Teil 2. Schwerpunkt: Brennpeter, Tape-Sampler und andere atemberaubende Stories aus dem Pleistozän.

Was macht eigentlich die Handwerks-Kunst? Vor einigen Jahren hattest Du mit dem Lötkolben aka „Brennpeter“ beachtliche Kunstwerke ins Holz gebrannt. Vorübergehende Schaffenspause oder bist Du mit dem Thema durch?

Den Lötkolben nutze ich nicht mehr so viel, da beim herausbrennen von Bildern auf Holzplatten leider viel Ruß und Qualm entsteht, was nicht gut ist das den Ruß einatme. Trotzdem habe ich ein paar wenige Bilder in der letzten Zeit gemacht, jetzt mit einem Ventilator als Hilfe. Ich war damals selbst erstaunt was man alles an Bilder auf Holz brennen kann, so sind über die Jahre hinweg immer größere bzw. aufwändigere Bilder entstanden. Ich habe so gut wie alle Bilder, die ich in den letzten Jahren gemacht habe, an Freunde verschenkt, wo ich wusste dass sie sich darüber in irgendeiner Art und Weise freuen werden.

Am Anfang stand das Zine. Begonnen hat Deine publizistische Karriere mit dem HÖLLENQUAL Photozine. Du warst damals auf heute legendären Konzerten immer mit der Kamera unterwegs, hast wild geknipst, großartige Fotos geschossen. Das ist über die Jahre etwas eingeschlafen, was extrem schade ist. Weshalb hast Du die Lust daran verloren?

Das hatte ich damals angefangen zu machen, weil in der Pissgelben Verkaufsliste von VINYL BOOGIE aus Berlin stand, dass sie auch Fanzines im Tausch gegen Platten nehmen würden. Da habe ich dann 20 Hefte meiner ersten Ausgabe des HÖLLENQUAL Photozines  hingeschickt und gleich 1 LP und zwei Singles bestellt. Die erste Ausgabe war noch voll dilettantisch gemacht. Weil ich damals keine Heftklammern bzw. Tacker hatte, habe ich das noch gelocht und mit Bindfaden zusammengeknotet. Ha ha. Über das MAXIMUM ROCKNROLL habe ich dann ab 1983 viele Kontakte zu Bands geknüpft und so viele Fotos  von interessanten Bands erhalten, von denen hier im Ruhrpott noch kaum jemand zuvor etwas gehört hatte. Damit ich auch etwas zum verschicken habe, fing ich dann an selbst Fotos auf Konzerten zu schießen.

Bluttat

Das hat lange Jahre auch echt Spaß gemacht, wobei das Fotos-Tauschen mit anderen Punk Fotografen aus ganz Europa echt klasse war. Das hatte dann ja auch zum „Welcome To Cruise Country“ Photozine geführt, welches 1987 eine Koproduktion vom MAXIMUM ROCKNROLL Fanzine aus San Francisco und dem süddeutschen TRUST Fanzine war. 13.000 Stück Auflage vom MRR und 2.000 Stück vom TRUST. Ich war Anfang 1987 nach San Francisco zum MRR Headquarter geflogen und habe dort die Fotos für das Photozine zusammengestellt. Ich habe irgendwann aber die Lust am fotografieren verloren, denn ich wollte wieder mehr Spaß auf den Konzerten.

Wenn du Konzerte fotografieren willst, dann muss du dir meist frühzeitig einen guten Platz sichern, wo du stehen kannst. Ich habe oft seitlich an den Bühnenrändern gestanden…das war oft echt ätzend da längere Zeit herumzustehen. Aufgehört zu fotografieren habe ich eigentlich in dem Zeitraum, als ich bei FILTHY FEW gesungen habe. Da habe ich sozusagen die Seite gewechselt. Vom Fotografen hin zum Akteur auf der Bühne.

Nach dem Zine kam das Tape. Du warst der Chief of Mixtapes, hast mit unglaublichem Aufwand unzählige Sampler zusammengestellt. Darunter Giganten wie das „Orstralia“ Tape. Hast Du noch einen ungefähren Überblick, wieviele Sampler waren es ca.?

Ehrlich gesagt habe ich die nicht gezählt, wie viele Tape-Sampler ich gemacht habe. Von 1984 bis 1985 hatte ich drei offizielle Sampler gemacht, d.h. „Hauptkampflinie“, „Disorder Disorder Disorder“ und „Who´ll Survive?“, wobei da ausschließlich Bands vertreten waren, die ich über Kontaktadressen aus dem MAXIMUM ROCKNROLL Fanzine angeschrieben hatte. Heute zählen fast alle Bands, die auf meinen Samplern waren, als Kultbands. Damals hatte ich für mich selbst eine Strichliste gemacht, wie viele Kopien ich von diesen 3 Samplern kopiert habe…letztendlich waren es pro Sampler zwischen 290-350 Kopien, was aus heutiger Sicht sehr beachtlich ist.

Als ich dann Anfang der 90er Jahre beim OX Fanzine war, habe ich auch ein paar Tapesampler gemacht, die ich im Rahmen von einzelnen Ausgaben des OX den Lesern anbot. Unter anderem auch den „Orstralia“ Sampler, wo ich nach 2 Besuchen Down Under ein Best-of australischer Punk Bands zusammenstellte.

Damals gab es ja noch kein Internet und wo sollte man Musik von dort herbekommen? Ich hatte immer eine Menge Freunde weltweit, mit denen ich Musik getauscht habe. So habe ich gute Punk Musik aus Ländern zu hören bekommen, von denen man hier in Deutschland eher weniger mitbekommt. Daher wollte ich einfach den Bands helfen, dass man ihre Musik auch hier wahrnehmen konnte.

Und das habe ich dann später auch beim PLASTIC BOMB Fanzine fortgeführt, d.h. ich habe in meinem Vorwort der jeweiligen Ausgabe den Lesern angeboten, dass sie ein Mix-Tape mit den meiner Meinung nach interessantesten neuen Platten/Bands bestellen können. Erst waren es einzelne C-90er Tapes, dann im weiteren hatte ich immer ein Doppel C-90 Tape angeboten, wo ich immer auf der 2. Cassette ein Special zusammenstelle, wie Best-of-80er Jahre Ami Punk (da habe ich ca. 10 Cassetten vollgemacht), oder Musik aus Ländern wie Japan, Neuseeland, Australien, Norwegen usw. Zu jeder Ausgabe habe ich zu den Tape Samplern auch immer ein richtiges Cover gemacht, mit einem coolen Motiv vorne drauf plus Trackliste. Das war aber nur zum Spaß, da so maximal 5 – 30 Leute pro Ausgabe die Tapes bestellt haben.

Nach dem Ende der Tape Zeit habe ich angefangen für mich private mp3-Samper zusammenzustellen, was ich bis heute mache. Da gibt es ebenfalls eine kleine Anzahl von guten Freunden, die sich gerne meine Sampler bis heute anhören.

Irgendwann bist Du von Kassette auf CD-R umgestiegen. Sinnvolle Entscheidung: Günstiger im Einkauf, höheres Fassungsvermögen, geschmeidiger für Verpackung und Versand.

Die CD-R als Sampler Variante ist gar nicht angekommen. Ich habe das einmal Anfang des neuen Jahrtausend im Vorwort vom PLASTIC BOMB angeboten, als DIE Neuerung schlechthin, aber es hat nicht ein einziger diese CD-R Version bestellt. In der kommenden Ausgabe habe ich die gleiche Musik noch einmal auf einem C-90er Tape angeboten und es haben direkt 20 Leute bestellt. Die Szene weiß schon sehr genau was sie will und was sie nicht will. So ist das bis heute.

Die HC/Punk-Szene ist ja hoffnungslos überaltert, wir feiern zudem noch immer die alten Helden von damals ab. DISCHARGE, BLACK FLAG, POISON IDEA etc. Fallen Dir spontan mindestens 5 Combos ein, welche im Durchschnitt U-40 sind?

Jede Menge Bands fallen mir da sofort ein, deren Platten ich sehr gut finde, wie z.B. HÄSSIG (CH), HETZE (B), JUST WAR (CZ), BOMBARDEMENT (F), BETTER THAN DEAD (F), KRIEGSHODER (N), LUCKY MALICE (N), HEAVY DISCIPLINE (US), INITIATE (US), DICKLORD (AUS), The CHATS (AUS), PRIVATE FUNCTION (AUS), RATS IN THE WALL (US), BARKUS (N), YARD BOMB (D), LOOSE NUKES (US). Es ist ganz wichtig, dass wir uns im JETZT bewegen, denn sonst wird es peinlich sich nur an den alten Sachen zu orientieren. Ohne das JETZT gibt es kein DAMALS.

Und um den Schwierigkeitsgrad noch zu erhöhen: Copy Cats oder DISCHARGE-Clones zählen nicht, es sollte schon ein eigenständiger Sound verzapft werden.

Ach, das ist gar nicht so schwierig: SLUTAVVERKNING (SWE), PISSE (D), PI$$ER (UK), FOC (Barcelona), FRIED E-M (Missouri, US), BROMURE (F), VANNA INGENT (SWE), ALLVARET (SWE), HURULA (SWE), CHAIN WHIP (CAN)…

Alte Säcke, Part 2: Kommen Dir mindestens 5 aktive Non-Musiker im Punk/HC-Sektor in der U-40 Liga in den Sinn? Booker, Fanziner, Manager etc. Falls ja, wer und wo tätig?

Ja, klar. Easy. Als erster fällt mir mein quasi Ziehsohn Jan Sobe mit seinem PROUD TO BE PUNK Fanzine ein. Der hatte als 13 jähriger seinen ersten Tape-Sampler mit deutschen Punk Bands gemacht und ihn mir zum besprechen im PLASTIC BOMB zugeschickt. Der war echt gut gemacht und so habe ich ein paar entsprechende gute Worte für ihn gefunden. Das hat ihn so gepusht, dass er das auch weiterhin gemacht hat. Jetzt gerade im Augenblick feiert sein Fanzine das 20jährige Jubiläum, wo ich es sehr beachtlich finde wie Jan sich über die Jahre hinweg entwickelt hat.

Bei den Fanzines ist das aber schon so, dass die Macher-innen in der Zwischenzeit alle deutlich älter geworden sind. Das stimmt. Dann gibt es Ronja vom PLASTIC BOMB, die seit 2016 das Ruder übernommen hat und wie ich finde ziemlich gut macht das Heft neu auszurichten.

Ebenso cool finde ich Dennis Rebmann und Philipp Stratmann, die das „Mit Schmackes! Punk im Ruhrgebiet!“-Buch gemacht haben. In vielen der Autonomen Clubs sind junge Leute aktiv, zeigen dass sie einen Arsch in der Hose haben. Zu viele um alle beim Namen zu nennen. So muss das!

Danke, Helge! PS: Allein für seine Nibelungentreue zum PLASTIC BOMB müßte Helge mit der „Murray Bozinski-Plakette für schwerste Loyalität“ ausgezeichnet werden. Aktuell sieht die BOMBE übrigens so aus:

Teil 3 folgt nächste Woche exakt an dieser Stelle. Dann geht’s ans Eingemachte, wir beackern die richtig heißen Themen: „Guns for he Afghan Rebels?“, Rotweiß Oberhausen und Vinyl-Sammelei. Stay tuned!

 

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