Street Hammer – Indonesia Tour – 2024 – Tourtagebuch (Thomas x Lockenkopf)
Heidewitzka, da sind wir wieder! Heute mit „Hot in the city” von Billy Idol als Einlauf-Melodie. Brathuhn-Alarm!
Heute gibt es keine reguläre Newsletter-Ausgabe, sondern Part 1 vom STEELTOURS OVER INDONESIA-Spektakel aka STREET HAMMER-Tourtagebuch. Watten ditte?
Thomas Lockenkopf bereist mit the mighty STREET HAMMER den ganz fernen Osten und platziert das STEELTOURS-Auf-Achse-Fähnen erstmals rechts unten im Globus.
Zur Einstimmung sei geraten: Fenster weit aufreissen, dann habt ihr die ungefähre Indonesien-Temperatur in der guten Stube. Der (Ost)Berliner mißt statt Celsius in Brehm: Also gefühlt ca. 20 Brehm unter der Achsel.
Und los geht’s, Thomas Lockenkopf im O-Ton:
„Das Indonesien-Street-Hammer-Tourtagebuch hautnah und manchmal fast live miterleben, könnt ihr in den kommenden Steeltown Records Newslettern. Später wird es noch auf unserer Homepage veröffentlicht und als Fanzine in Papierform der ersten Street Hammer Platte beigelegt. Das ganze wird aber eine subjektive Wahrnehmung sein, aus meiner Sicht und meinen Augen. Es muss nicht mit der Meinung der einzelnen Bandmitgliedern übereinstimmen…
Kommen wir nun zum eigentlichen Thema und zur Vorgeschichte. Man bekommt eine große Chance im Leben oft nur einmal angeboten. So ging es meiner alten Band Roimungstrupp damals so um 2006 auch so, als wir die ersten Kontakte mit der indonesischen Skinhead- / Subkulturszene aufnahmen und die Jungs und Mädels damals echt wollten, dass wir dort auf Tour gehen. Vielleicht waren wir damals dafür einfach zu jung oder zu weltfremd um dieses Angebot auch anzunehmen. What ever!
Nun kam im Juni bei mir eine Anfrage herein, ob ich nicht eine deutsche Band kenne, die vielleicht beim Skinhead Jamboree in Jakarta spielen möchte. Ich steckte meine Fühler aus und fragte einige Bands an. Emil von Street Hammer war genau der richtige Bekloppte, der sofort darauf ansprang und alle Hebel in seiner Band in Bewegung setzte um das zu realisieren. Wir beide sponnen uns gemeinsam im Kopf schon oft solch eine exotische Tour aus. Gesagt, getan!
Danach ging es in die Vorbereitungen um aus diesem einem Auftritt auch eine kleine Tour zu machen und auch genau die passenden Musiker zu finden, die Zeit und vorallem auch Lust auf dieses waghalsige Abenteuer haben. Nun hier sitzen sie alle beisammen in diesem Tourbus auf dem Weg zum Flughafen nach Frankfurt / Main um ihre Grenzen im Kopf zu sprengen und ihren Horizont zu erweitern…
Action speaks more than words. On the way to the first Indonesia Tour. Subculture still alive!
Der erste Flug neigt sich langsam dem Ende zu, bevor es nach einem Aufenthalt weiter von Abu Dhabi nach Jakarta geht. Die Stimmung in der Gruppe ist super, denn es weiß ein jeder auf was für ein Abenteuer er sich hier eingelassen hat. Dadurch das doch alle mit sehr offenen Augen und differenzierten Sichtweisen durch diese Welt laufen und sich ihr nicht verschließen, werden wir wohl kein all zu großes Erwachen bekommen. Die letzten behördlichen Auflagen zur Einreise nach Indonesien wurden digital ausgefüllt, jetzt heißt es cool bleiben, wenn wir durch die Imigration dann später laufen.
Aber genau das ist das coole, was ich in dieser Reisegruppe und vorallem in der Musik- und Subkultur Welt liebe. Jeder von den Leuten hier macht im Alltag so einen ausgefallenen Job, der einem im Alltag schon so weit im Kopf reisen lässt, dass man sofort Kontaktfreudig, Aufgeschlossen und neugierig für neues ist.
So liebe ich das. Auf zum Landeanflug auf Abu Dhabi….Let’s Rock’n’Roll!
Bei einem 7 Stunden Zwischenstopp in Abu Dhabi, kann man auch mal ganz mutig die Stadt erforschen und die arabische Welt kurz erkunden. Mit einem kräftigen Racial Profiling (tätowierte, kurzhosige Typen gibt es nicht alle Tage hier) ging es etwas zäh aus der Sicherheitskontrolle vom Flughafen raus in Richtung Taxi – Beach – Tapas – Skatepark….
Die Landung in Jakarta ging echt reibungslos und pünktlich von statten, genauso wie die Einreise durch die Imigration und dann durch den Zoll. Kurzerhand hoben wir alle zum ersten Mal unsere paar Millionen in Bar von der Bank ab. Das war ein gutes Gefühl. Am Ausgang wartete schon Pentul und seine Gang auf uns, um uns zu begrüßen. Schnacken, trinken, ab zur Unterkunft und die ersten Eindrücke von Jakarta sammeln und sacken lassen. Es gibt nichts, was hier anscheinend nicht geht.
Jakarta hat gute 11 Millionen offizielle Einwohner. Die Dunkelziffer + die Slums wird weit aus höher sein. Pentul und die Crew ließen nichts außeracht, dass unsere Ankunft hier so reibungslos und entspannt wie möglich abläuft. Smarte Skinheads halt, Hammer! Generell ist nur alleine die Skinhead Szene hier in Jakarta ganze 1000 Mann stark. Ich bin gespannt was uns da morgen bei der ersten Show im Süden der Stadt erwartet. Gerade sind wir noch im Nordteil unterwegs. Solch eine Herzlichkeit wie hier, von denen die es wirklich nicht haben, wünschte ich mal von denen zu Hause, die die Mauern nicht hoch genug ziehen können.
Ich lasse alles erstmal sacken und freue mich schon riesig auf morgen… Oi!
Meistens auf Tour muss man warten, auf irgendjemanden, ein Auto oder sonst der was. So auch hier, wir werden abgeholt, aber es fehlt noch ein zweites Auto für das Gepäck. Generell können die Autos hier bloß in gewissen Zeitzonen durch Jakarta fahren. Ansonsten außen rum und das dauert 3 Stunden länger.
Wirul von der Band Sentimoods, der uns heute begleitet… erzählte schon, dass das Skinhead Jamboree nur alle zwei Jahre jeweils auf einer anderen Insel oder Stadt in Indonesien veranstaltet wird und somit es ein Highlight ist für die lokale Crew es zu organisieren. Es spielen dort 18 Bands, die zum Teil auch aus Singapur, Malaysia und Thailand kommen. Es hängen nur von den Bands und Helfern schon 100 Leute um den Club herum und bauen auf.
Das sind Dimensionen, die es bei uns schon lange nicht mehr gibt. Sie denken, dass es eins der kleinsten Festivals wird, mit gut 1000 Besuchern. Die Passion und Leidenschaft, die hier an den Tag für Subkultur und Szene gelegt wird, ist unbeschreiblich und in Deutschland nicht nachvollziehbar. Ich bin so dankbar darüber das ich das wirklich so live miterleben kann, nach den fast 20 Jahren, die ich schon diese Szene hier verfolge.
Das ist so verrückt, hier raucht echt jeder. Hier gibt es das schärfste Kraut zum rauchen. Meine Lunge pfeift schon alleine vom danebenstehen.
…. Die erste Show liegt nun vor uns und ich habe ein leichtes Freudenpiepie in denn Augen. Sitze so rum im Club und die ersten Gäste und Crew ziehen so an mir vorbei während ich das alles hier sacken lasse und niederschreibe. Das ist immer das Ding gewesen, was ich damals mit Roimungstrupp machen wollte. Überall nur freudestrahlende Menschen, die auch wirklich Bock auf diesen Subkultur Scheiß haben und es nicht machen um einfach nur cool zu sein. Hier von könnten sich einige neunmalklugen Luftpumpen in Deutschland mal ne fette Scheibe von abschneiden. Mehr TRUE geht nicht…
…wie früh ist man, wenn man Open Minded aufwächst und sich nicht mit der Norm zufriedengibt. Kein Stammtisch auf dieser Welt kann mit nicht einmal einem „wahren“ Wort wiedergeben, was hier wirklich vor sich geht…. 15.000 Kilometer weit entfernt der Heimat in einem der ärmsten Länder auf dieser Welt… wenn der Muezzin zum Gebt ruft und 5 Minuten später die ersten Gitarrenriffs dieses Balkons auftönen und alle vergessen was um ihnen herum passiert. Jetzt zählt nur die Musik und nicht der tägliche Struggle des Überlebens. Hier schwebt die positive Energie einer Unity Hardcore Show um uns herum, während wir Bleichgesichter dumm aus der Wäsche schauen und unsere vermeintliche Dekadenz in uns erblassen lässt, dass wir nichts sind in dieser großen weiten Welt…
…die erste Street Hammer Show auf asiatischen Boden ist Geschichte und ich stand mitten drin… What the fuck – we have a blast!…
…Neuer Tag und neues Glück… fängt immer an mit einem guten Kaffee… mal Local mal Hipster und echt guten und tiefgründigen Gesprächen… abchecken was bei Skinhead Jamboree schon geht, ist fußläufig vom Hotel und ganz wichtig, hier gibt es wirklich niemanden der schlechte Laune hat. Alle freuen sich und lächeln… anders als Mecker-Deutschland… …an vielen Ecken siehst du auch, dass auch hier der Wohlstand ankommt und der Standard ganz schnell wächst. In 10 Jahren wird das alles hier ganz anders aussehen. Mein Verstand sagt mir innerlich, ich müsste diese Leute hier vor allem beschützen was wir aus dem Westen mit uns mitbringen, bevor sie ihre Herzlichkeit und dieses schöne Lächeln verlieren, wie wir Ostdeutsche oder Osteuropäer nach dem Mauerfall… „Never, never, never, never, never surrender! Never, never, never, never give up the fight! We’ve got the power, we’ve got the will! We are the defenders – defenders of light!“ (Roimungstrupp, 2006)
…6 Bleichgesichter, da gibt es keine Bändchen…keinen VIP-Pass… Verwechslung ausgeschlossen! …da gibt es so einen Skinhead in Deutschland, genauer gesagt in Hannover… ganz unscheinbar… fällt nicht groß auf. Kein Internet Star… aber hier eine ganz große Nummer… war der erste, der vor 20 Jahren hier her kam… ohne Tobi wären wir heute nicht hier… Vielen Dank dafür
…Ich bin echt platt. Emil geht es genauso. Unsere Herzen verkraften das hier langsam nicht mehr. Es ist so heftig wie wir hier herzlich aufgenommen werden. Wie diese hunderte von Skins aus Indonesien, Malaysia und Singapur uns alle hier umarmen, ausrasten und das Ding sowas von rocken… Wenn eine Frau mit Kopftuch und Tarnhose „If the Kids are United“ und „Skinhead till i die“ auf der Bühne singt, der Mob dazu durchdreht, fließen bei mir einfach die Tränen vor Freude. Auch wenn der Kampf zu Hause verloren zu sein scheint, hier fängt er jetzt erst richtig an. Das ist Revolution pur und kein Phrasengedresche und ‚gestern war alles besser‘. Fuck Off! Das ist das heftigste was ich je in all den Jahren als Skinhead erlebt habe. Eine Szene die nicht Tot zu kriegen ist und sich überall trotz allem Shitstorm und Repressionen ein für alle mal durchgesetzt hat und über eure scheinheilige Welt nur lacht. Welcome to Reality… Oi!
Etwas sehr benebelt vom tiefen Schlaf gehe ich raus auf die Straße auf der Suche nach einem Kaffee. Noch total verträumt im Kopf ob dieser Traum hier gerade auch wirklich die Realität ist und ich wirklich in Indonesien bin, ermahnt mich gleich an der nächsten Ecke ein breit grinsendes Gesicht mit einem freundlichen und kraftigen Good Morning, Sir…Ja!!! das hier alles ist gestern wirklich passiert und war kein Traum… Diese Freundlichkeit ist aber auch heftig und vorallem ansteckend. Ich bin bereit für mehr Abenteuer hier und die Jungs denke ich auch.
Der Start in den Tag ging los mit guten Gesprächen mit Pentul, der Macher vom Skinhead Jamboree. Dann holte uns Wirul mit dem Auto ab und wir fuhren zum Santa Market, dass alternative Einkaufszentrum / Bazar von Jakarta. Dort gibt es kleine Plattenläden, Merchshop und Fressbuden. Da trafen wir Achia, dem Sänger von der Band Straight Answer, der den größten Hardcore Shop von ganz Indonesien betreibt. Names ‚Here To Stay‘. Er hat es mit seiner Band als einziger jemals rausgeschafft in die große weite Welt und tourte in Europa und Japan. Er ist hier eine lebende Legende. Nebenbei betreibt er noch ein kleines Fastfood Geschäft in diesem Einkaufszentrum, wo er uns zu einem vegetarischen Toast einlud. Wie Gotteshand es so wollte, lief in diesem Moment Adila an uns vorbei und sprach uns auf Deutsch an und fragte, woher wir kommen. Es stellte sich raus das Adila ein paar Jahre in Deutschland in Dresden studiert hatte und sein Geschäft hier deswegen Neustadt genannt hat, aus Dankbarkeit an diese schöne Zeit in Dresden. Er sprach besser Deutsch als so manch Einheimischer.
Nun geht’s weiter zur Show und ich muss sagen, der permanente Smog in dieser Stadt pfeift richtig in meiner Lunge und setzt mir ganz schön zu. Verrückt das immer zu haben und einzuatmen. Es läuft im Auto die ganze Zeit nur Deutschpunk und Oi! und als Rawside ertönt, besser konnte es gerade nicht mehr passen:
„Ihr Mütter dieser Welt
Wenn sie euch morgen befehlen
Ihr sollt neue Kinder für Kriege gebären
Neue Krankenschwestern für Kriegslazarette
Neue Soldaten für die Mörderstaffette
Dann gibt es für euch nur eins: Sagt nein!!!
Ihr Prister auf der Kanzel
Wenn sie zu euch kommen Befehlen
ihr sollt segnen Bomben und Kanonen
Ihre Kriege heilig sprechen
Um religiös zu schützen ihre Verbrechen
Dann gibt es für euch nur eins: Sagt nein!!!“
Heute der totale Kontrast. Die Jungs spielen in einem Squad vor hunderten von Punks.
„Wir kommen hier einfach nicht raus aus dem Händeschütteln und Fotos machen, und wieder keine Bändchen… 6 Bleichgesichter, da gibt es keine Verwechslungsgefahr. Wenn Leute mit dir reden und noch nie das Wort Germany im Leben gehört haben, weißt du, dass du hier genau richtig bist, so wie das Volk wirklich lebt. Kein Fancy Place und keine Tourikacke. Generell empfiehlt sich hier nur eigenes Wasser unterwegs dabei zu haben, wie ein Straight Edger.
Die selbstgebrannten Sachen, die dir hier sofort überall angeboten werden, können dir auch schnell das Augenlicht kosten. Das ist so pur! Das ist so real! Hier gibt es T-Shirt Stände. Fanzines Stände mit ein Haufen Heften, die auf indonesisch aufklären was Punk, was Oi!, was Hardcore und was Straight Edge ist.
Es ist aber auch total krass, dass der Punk hier wirklich No Future lebt, ohne Kompromisse! Hier in diesem Squad zählt das Gesetzt des Stärkeren und wir Bleichgesichter haben permanent eine Secruity um uns herum schweben. Das hier ist wirklich eine komplett andere Liga als gestern. Aber wenn wir was sehen wollen, was Subkultur ausmacht, dann alles und das ungeschminkt!…
Jetzt hat mein Skinlander Kumpel Vidi sich aus Respekt extra wieder die Haare geschnitten und geht zurück zu den Wurzeln und ist wieder Skinhead… Das ist so fett! Hier wird das Wort SUBKULTUR noch gelebt und nicht konsumiert. Das Punk Festival gestern wurde nur wegen uns auf die Beine gestellt. Waren letztenendes auch 1000 Menschen da.
…Aber weiter geht es mit Vidi und Wiro zum Flughafen. Jetzt steht Bali für einen Offday auf dem Programm und dann ne Show im Gimme Shelter, wo Bands wie Agnostic Front oder Sheer Terror schon gespielt haben. Es empfängt uns Berry, die Hardcore Seele von Bali. Ganz gechillt gehen wir gleich mit dem Gepäck an den Strand und genießen den Sonnenuntergang. Die Jungs gehen baden und Berry erzählt mir seine Hardcore Geschichte, wie er und seine Freunde um 2000 herum als erstes hier für sich den Hardcore entdeckt haben. Sie aber keinen Ort zum abhängen fanden. Ihnen verwehrt wurde Instrumente zu kaufen. Das bekamen sie durch Vitamin B und so starteten sie ihre eigene Band. Hardcore for Life und die Geschichte nahm ihren Lauf.
Das könnte auch genauso Wort für Wort in Eisenhüttenstadt geschrieben worden sein. Später als sie älter wurden, hatte jeder ihrer Crew ein eigenes Business hier, wie z.B. Cafés oder Bars, wo sie somit den anderen und jüngeren Kids Möglichkeiten gaben, um mit ihren Bands aufzutreten. Es entstand ein Netzwerk und die Norm der Gesellschaft wurde mal wieder ein Stück verschoben. Heute ist Hardcore-Punk die normalste Sache der Welt hier. Es sind einfach zu vielen.
Später um 2011 öffnete Berry seine eigene Facebook Gruppe, die sich Indonesia Hardcore Family nannte. Nun öffnete sich das Tor zur Welt für ihn. Es fragten immer mehr Bands aus Europa oder Amerika bei ihm an, um hier Touren zu können. So kam auch seine Gunst der Stunde nach Europa zu kommen, um dort mit europäischen Bands auf Tour zu gehen. Während er mir das erzählt, fällt er in eine Dankbarkeit und sagt, diese ‚Positiv Mentality Attitude‘ gibt ihm soviel Energie und somit werden so viele tolle Dinge von alleine in seinem Leben gezogen. Das sehe ich genauso. Obendrein gibt uns die Subkultur die Chance ein anderes Leben als die Tradition zu führen und das Internet öffnet uns dafür die Türen.
Man muss es einfach nur nutzen. Jeder Tag hier ein anderer Kontrast und wir alle genießen es in vollen Zügen und versuchen alles in uns aufzusaugen. Unser Gott heißt Subkultur, heißt definitiv Subkultur…
…Heute ist Sightseeing mit Berry und wir besuchen einen Hindu Tempel, dabei erzählt er, dass Indonesien die größte muslimische Gemeinde in der Welt hat. Es sind Suniten. Die lockere evangelische Variante in dieser Religion. Auf der Insel Java wo Jakarta ist, sind 90% Moslems. Hier in Bali ist die Hälfte der Bevölkerung Hindu gläubig, die älteste Religion der Welt und die Vorreiter des Vegetarismus. Berry erzählt uns, dass er als Moslem nie mit seiner Frau zusammen solch einen Hindu Tempel besucht, weil sein Glaube ihm sagt, dass dadurch die Beziehung zerbricht. Interessante Lebensentwürfe, die, wenn man sich darauf einlässt, einem Menschen wie uns neue Sichtweisen auf die Welt ermöglichen….
…Emil hat es gestern Abend mit Fieber umgehauen und er liegt im Bett um Abends für die Show fit zu sein. Gut das Maria genau für diesen Fall, die richtige Notfall Apotheke eingepackt hat. Drücken wir jetzt alle mal fest die Daumen und klopfen auf Holz, das, dass jetzt nicht in unserer Gruppe die Runde macht…
…den weiteren Tag hängen wir am Meer ab und genießen die Zeit. Ich sitze ein wenig abseits der Gruppe und genieße einfach nur den Moment und das Rauschen der Wellen.
In mir kommen Gedanken der Demut hoch, dass ich als verkacktes Hüttenstädter Straßenkind es Dank meiner Musik soweit hinaus in die weite Welt damit geschafft habe. Ein waschechter 1220er, der hier nun sitzt und einfach glücklich über das alles hier ist und sein Leben. Diesen einen Moment hier gerade kann mir keiner mehr nehmen und vor allem, er ist nicht nur unbeschreiblich sondern auch unbezahlbar. Danke, dass ich das erleben darf!….
Und wer ist nun dieser Luwak? Professor Schlaumeier weiß weiter:
„Der Luwak (aka Fleckenmusang) lebt in Indonesiens tropischen Wäldern, besucht eher selten Oi!-Konzerte und ernährt sich von reifen Kaffeekirschen. Im Verdauungstrakt des Tieres fermentieren die Bohnen, wobei Enzyme Bitterstoffe und Säure reduzieren. Dadurch entsteht der exklusive Kopi Luwak mit seinem milden, einzigartigen Aroma, der als einer der luxuriösesten Kaffees weltweit gilt“. Na dann!
Hier ein Photo von einem extrem müden Exemplar, welcher nach dem Konsum von einheimischen Schnaps ein ordentliches Nickerchen in der Ausnüchterungszelle hielt:
…Glaube – Liebe – Hoffnung – das sind die drei Wörter, die uns permanent auf dieser Tour begleiten und uns von Ort zu Ort tragen. Niemand ist angespannt oder gar nervös. Jeder ist tiefenentspannt und lässt sich einfach vom Augenblick zum nächsten Augenblick tragen…. „Gott“ wird es schon richten….
…Wo sind wir hier den gelandet????… mitten im Reisfeld / Nirgendwo und was finden wir hier bloß vor???? Wir kommen rein und es läuft in den Boxen… ‚Start Today‘ von Gorilla Biscuits….Hammer! … und dann das! Selten so viel Liebe im Detail gesehen. In zwei Jahren wird das ‚Gimme Shelter‘ umrungen sein von Hotelburgen. Schön dieses Stück Subkultur noch pur erleben zu können bevor die Gentrifizierung zugeschlagen hat. Sichert alles was ihr habt zu Hause!… zuerst kommt immer die Subkultur, die es lebenswert macht und dann die Snobs, die alles mit ihrer Dekadenz und ihrem fetten Geld zerstören. Egal wo auf der Welt…Ob New York, London, Berlin, Leipzig oder Bali…. Das hier ist schon eine Hausnummer, die nur mit ganz viel Liebe und zu viel Leidenschaft funktionieren kann. Danke Berry, Danke Bali, für diesen tollen Einblick…
…direkt nach der Show im Gimme Shelter organisierte uns die Crew einen Hammer Bus, der uns direkt zur Fähre zurück auf die Insel Java brachte. Berry begleitet uns dabei die ganze Zeit. Nun geht es zur vorletzten Show in die Stadt Banyuwangi. Die Tour neigt sich langsam und geschmeidig dem Ende zu…
…In Banyuwangi ist wieder komplett anderes Programm als auf Bali. Hier verirren sich keine Bleichgesichter her und wir sind wieder die pure Freakshow für die Einheimischen wie in Jakarta. Trotz all dem fremden, den wir hier darstellen, begegnen uns nur freundliche Gesichter und Menschen. In Bali ist es eher so, dass man sich für die anderen Bleichgesichter oft schämen muss, da sie sich aufführen als wenn sie die aller Größten sind. Heute in Banyuwangi wurde für uns eine Wohnung angemietet, die direkt neben der Moschee ist. Das wird gut die nächsten 2 Tage wenn der Muezzin immer zum Gebet ruft, dann stehst du im Bett. Es ist generell hier alles auch ländlicher geprägt als auf Jakarta. Ländlich kannst du aber hier nicht wie in Deutschland vergleichen. Es bleibt trotzdem ein unendlicher Dschungel aus kleinen Straßen und kleinen Häusern…
…und Berry genauso wie Pentul davor, kümmert sich wirklich wunderbar um uns. So ein Local ist hier Gold wert und lässt dich dadurch noch viel weiter in die Kultur eintauchen. Da sind erstmal Subkulturen – Skinhead, Punk oder Hardcore-Punk die totale Revolution in dieser Gesellschaft. Ein härteren Cut und Schritt in die anderen Richtung kannst du nicht machen…
…Ein Schritt zurück und wieder zwei Schritte nach vorne und so kommen wir hier in Bunyuwangi in die selbsterschaffene ‚Two Step DIY Area‘ an. Was uns hier alles widerfährt, ist unbeschreiblich. Diese Kids leben das hier wirklich wovon in der westlichen Welt die meisten eigentlich nur reden. ‚Action Speaks More Than Words‘ ist überall die Divise und das ganz mit einer Freundlichkeit vermischt und keinem dicke Eier Tough-Guy-Gehabe. Die reißen sich richtig den Arsch für uns auf, weil wir in ihre Hood gekommen sind. Mehr Respekt kann man ihen nicht zollen… Hardcore still lives!…
…nach dieser Show, nach diesen intensiven Tagen hier sitze ich doch sehr wehmütig Abends herum und grübel innerlich mit mir selber. Ich weiß, dass wir noch zwei gute Tage vor uns haben, aber danach auf dem Weg nach Hause wird alles nicht mehr so sein wie vorher. Subkultur hat für mich hier einen komplett neue Dimension bekommen. So intensiv das mit Leidenschaft zu leben habe ich noch nie gesehen. Nie zu wissen ob es einen nächsten Tag überhaupt geben wird, aber denoch Stück für Stück was für die Zukunft aufzubauen und daran zu glauben das für alle hier ein besserer Tag kommen wird, in dem die Subkultur über allem stehen kann. Das erinnert mich stark an die 90er im Osten, doch unsere Herzen wurden verkauft und genau das spüre ich so heftig hier gerade. Wir haben uns von dem materiellen Schein und den Hochglanzfotos mehr blenden lassen als das zu sehen was Subkultur eigentlich ausmacht, raus auf die Straße zu gehen und sie wirklich jede Sekunde an jedem Tag so intensiv wie möglich zu leben und das alle Mann gemeinsam. Einer für alle und alle für einen! Morgen könnte es auch schon für jeden einzelnen von uns zu Hause vorbei sein…
…wieder auf dem Weg mit dem Flugzeug zurück nach Jakarta unterhalten wir uns mit Emil über den Islam hier. Hier ist auch die größte Keimzelle des Terrorismus in der Welt. Der Islam ist doch, wenn man ihn fanatisch und verblendet lebt, mehr als eine große Lüge genauso wie das Christentum und ihre Scheiterhaufen. Das Problem ist aber das der Menschen aber trotzdem einen Glauben an etwas größeres als ihm selber braucht, der ihm auch über schwere Zeiten, Probleme, Krankheiten und Schicksalschläge im Leben immer weiter trägt. Jeder braucht Treibstoff oder besser gesagt Benzin, damit der Motor nicht stehen bleibt. Für diese terroristischen fanatischen Zellen, sind nicht wir der „Westen“ das Problem, sondern eher ihre eigenen Schäfchen, die aufwachen und sich der Unterdrückung abwenden. Schwere Kost auf nüchternen Magen, die aber trotzdem auch durchgekaut werden muss…
…Ich hoffe das ich mit dieser, meiner persönlichen Pilgerreise, ein Leuchtturm sein werde und eine Perspektive aufzeige, für alle meine Leute zu Hause in Hütte, dass sie an ihrem Traum glauben sollen und das 1220 in ihren Herzen hinaus in die weite Welt tragen sollen. Unsere Stadt wurde einst gegründet um eine bessere Gesellschaft zu formen und dieser Gedanke, der mir in der Kindheit oder Schule so stark eingeimpft wurde, werde ich nie mehr los. Ich werde egal wo mich das Leben hinzieht immer im Kopf und Herzen für diese Stadt leben… Hüttenstadt, ist meine Stadt!…
…Heute bin ich etwas sehr traurig. Unsere Skinhead Crew aus Jakarta hatte alles möglich gemacht und uns vom Flughafen wieder abgeholt und alles ausgelotet um uns zur letzten Show und auch zum Flughafen zum Schluß wieder zu bringen. Wir sind wirklich mal da hingekommen, wo die Jungs wohnen. Die leben wirklich ganz weit unten in dieser Gesellschaft, in den Slums. Sie haben so viel für uns auf die Beine gestellt, doch heute konnten wir dort das Hotel nicht annehmen. 2/3 von uns sind nun wirklich richtig krank und wir brauchen etwas Ruhe um uns für die letzte Show morgen vorzubereiten. Also fanden wir mit den Jungs eine andere Lösung und checkten in einem Apartmenthaus ein. Daneben ist gleich ein riesen großes Einkaufszentrum, in dem du alles kriegst wie in Europa und das zum selben Preis wie Zuhause. Die indonesischen Frauen sind dort er weiß geschminkt, was ihr liebe zu den reichen Weißen darstellen soll. In diesem Zentrum ist mir total bewusst geworden, dass sich dort Pentul, Wiro oder Vidi und der Rest der Jakarta Skinheads nichts leisten können. Es ist einfach unerreichbar für die Jungs. Aber wieder rum war ich glücklich darüber, dass die Jungs es verstanden haben und in der Skinhead Subkultur solche Barrieren nicht zu existieren scheinen. Das war ein echt krasser AHA Effekt für mich. Ich hatte im Gegensatz zu den Jungs einfach nur das Glück in einem anderen Land geboren zu sein und eine andere Hautfarbe zu tragen. Dafür musste ich nichts leisten in unserer Gesellschaft. Aber diese Jungs führen einen krassen Klassenkampf jeden Tag, wo jeder von uns das keine Woche unter diesen Umständen durch halten würde. Das macht mich auch verdammt Stolz darauf, zusammen mit diesen Jungs die selben Werte zu teilen und gemeinsam der Skinhead Kultur anzugehören. Zwischen unseren Köpfen gibt es keine Grenzen, denn nur gemeinsam können wir diese Welt verändern…
…Neuer Tag, neues Glück, denn ich habe heute schon gewonnen. Double-Double-Espresso und ich lasse den gestrigen Tag noch mal Revue passieren in meinem Kopf und dabei fällt mir ein erschreckens Detail auf. Bei allen diesen reichen Menschen hier gestern im Einkaufszentrum habe ich eine Lächeln oder überhaupt eine Emotion in den Gesichtern vermisst. Ich hätte so auch genauso durch Eisenhüttenstadt laufen können. Es fehlte überall die Herzlichkeit, die uns sonst überall so heftig entgegen gestreckt wurde. Ist es wirklich so, bei so vielen Menschen, dass mit dem Wohlstand das Herz versteinert???? Fragen über Fragen in meinem Kopf, für ich gerade keine klaren Antworten finden kann aber ich fühle dabei wie heftig mein Herz blutet….
… Es ist auch verrückt wieviel Energie die Leute hier in Cikarang an der Tag legen, in der größten Industrie Stadt Indonesiens. Kleine DIY Spots getarnt in Hinterhöfen, wo oben drin ein kleines Tonstudio existiert und unten die Kids mit ihren selbstgebauten Drucktischen ein paar exklusive T-Shirts im Siebdruck von der Show drucken und gleich verkaufen. LOCAL HARDCORE MOVEMENT hat auch hier eine tiefere und bessere Bedeutung als die Fanzy Places in den Großstädten in Deutschland. Hier wird es auch wirklich gelebt. Die Crew steht im Kreis um die Bühne und es geht ab und an wie beim Breakdance einer in die Mitte und präsentiert seine neuen Moves. Oder es gehen von einer auf der anderen Sekunde einfach alle crazy. Während den Umbauphasen sind immer ein, zwei Moderatoren aktiv, begleiten den Abend und heißen die Crowd so richtig an. Egal ob bei Hardcore, Punk oder Oi! Shows. Generell spielt hier jede Band nicht mehr als 4-6 Songs und dann geht die nächste Band auf die Bühne, mit ganz kurzen Umbaupausen. Alle benutzen das selbe Schlagzeug und die selben Amps. Immer von den lokalen Bands gestellt. Auch auf dem Weg hier her, kommen wir wieder in Ecken wo Bleichgesichter selten sind. Es wird gelächelt, Hände geschüttelt, wilde Gesten zugeworfen und immer gleich Fotos gemacht…
… Wir sind mit keinen Erwartungen hier her gekommen und gehen jetzt voll gepackt mit tollen Erinnerungen. Wir haben Mauer abgerissen und neue Brücken gebaut… Street Hammer!
…und wie von Gottes Hand gelenkt landen wir durch Zufall auf dem letzten Meter bei Wirul Zuhause in der Siebdruckerei und das letzte Puzzleteil in meinem Leben so wie in seinem Leben fügt sich zusammen. Live your life – make it real!
Nun sitze ich hier wieder Zuhause rum. Bereite mich vor für den Alltag und versuche das alles sacken zu lassen. Definitiv gehe ich mehr mit Dankbarkeit in den Alltag und bin wieder ein Stück weniger Deutsch. Ich schäme mich noch mehr fremd, wenn jemand an der Kasse sich aufregt weil er warten muss und mir rollen sich noch schneller die Fussnägel hoch, wenn frustrierte Jugendliche ohne Perspektive in amerikanischen Fastfood Restaurants mit Hass auf den Fingern tätowiert rumsitzen und erzählen wie geil es gestern wieder war, Kanaken durch die Straßen zu jagen…Dann denke ich mir, ihr alle werdet euch noch kräftig umschauen wenn eines Tages das Gleichgewicht in der Welt kippt und der Kapitalismus auf euren Rücken, die Leute da unten kräftig mit Geld zustopfen wird und ihr Buckeln dürft… Traurig, dass der Deutsche denkt, dass er über allem in der Welt steht und denkt, nur er hätte die Wahrheit gepachtet… Amen!